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Wie geht es der bAV Branche in der Krise?

Wie geht es der bAV Branche in der Krise?

Roundtable bAV Experten im Gespräch

Gebremstes Neugeschäft prägte in den letzten Wochen die Branche der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Welche Chancen in oder trotz der Krise entstehen können und welchen Beitrag die Digitalisierung hierzu leisten kann, diskutierten die bAV Experten der 6 Versicherungen Allianz, Donau, Generali, ÖBV, Wiener Städtische und Zürich im digitalen Roundtable. Joachim Schuller von FINABRO führte als Moderator durch das Gespräch. Das Ergebnis: Spannende Einblicke in eine Branche, die so schnell nichts aus der Bahn werfen kann. Aber lesen Sie selbst mehr…

Gerhard Danler
Gerhard Danler

ZÜRICH VERSICHERUNG

Leiter Betriebliche Altersvorsorge

Erich Projer
Erich Projer

ÖBV

Organisationsdirektor Betriebliche KV

Wilhelm Rost
Wilhelm Rost

Generali Versicherung

Senior Manager betriebliche Personenversicherung

Christian Schuster
Christian Schuster

Wr. Städtische Versicherung

Leiter Betriebliche Altersvorsorge 

Michael Slechta
Michael Slechta

Donau Versicherung

Leiter Betriebliche Altersvorsorge  

Wolfgang Weisz
Wolfgang Weisz

Allianz Elementar Lebensversicherungs-AG

Leiter Betriebliche Altersvorsorge

2020: Ein bAV-Jahr, das in Erinnerung bleiben wird

Mit der Frage „Wie geht es den Versicherungen im Bereich der bAV in der Krise“ wurde die Runde von Joachim Schuller eröffnet.

Gleich zu Beginn waren sich die Gesprächsteilnehmer einig, dass die bAV gut ins Jahr gestartet ist, das Neugeschäft durch die Krise aber deutlich gebremst wurde. Kündigungen und Kurzarbeit trugen dazu klarerweise bei. Dennoch sehen sich die Versicherungen auch für die Zukunft gut aufgestellt und sehen keine nachhaltigen Rückgänge. Kurzfristig kommt es natürlich zu Umsatzrückgängen, aber es besteht weiterhin die Notwendigkeit gute Mitarbeiter zu halten, zu fördern und zu motivieren und gerade hier ist die bAV ein ideales Mittel. „Nachdenken über Kurzarbeit: ja. Nachdenken über Kündigungen: nein. Das ist etwas, was für diese Branche spricht“, fasste Michael Slechta die aktuelle Situation in seinem Unternehmen zusammen.

Dort wo die Versicherungen eventuell Nachholbedarf hatten, wie etwa bei der technischen Infrastruktur oder einer stärker durch Homeoffice geprägten Arbeitsweise, konnten sie sich rasch auf die neue Situation einstellen. Wolfgang Weisz merkte an, „dass sich durch die Krise auch die Arbeitsweise in der Versicherung nachhaltig ändern werde“. Wenngleich Arbeiten von unterwegs für Vertriebsmitarbeiter schon seit längerem gängiger Alltag war, bedeutet die Umstellung für Servicemitarbeiter Neuland. Christian Schuster betonte, „dass man seit der Krise auch mit technischen Ausfällen geduldiger umgehe und mehr Verständnis zeige“. Das konnten wir auch beim Start dieses Roundtables am eigenen Leib erfahren ?.

Technik ist auch gleich ein gutes Stichwort: „Technisch war es schon eine interessante Zeit“, sagte Gerhard Danler, „weil einfach jetzt binnen kurzer Zeit alles wortwörtlich in Richtung digital gegangen ist“. Dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Entwicklungen im Bereich des technologischen Fortschritts gefördert haben, bestätigte auch Erich Projer: „Die Krise hat bei uns Dinge beschleunigt, die man wahrscheinlich unter normalen Umständen so nicht hingekriegt hätte.“

Wir möchten die Krise aber keinesfalls schönreden. Fakt ist: Das Neugeschäft wurde deutlich gedrosselt. Jammern hilft aber auch nicht. Trotz Bremse konnte die dadurch gewonnene Zeit auch sinnvoll genutzt werden. Hierzu zählt etwa das Aufarbeiten von Rückständen oder die Bereitstellung der wichtigen IDD-Schulungen, die kurzerhand digital angeboten wurden.

Einig waren sich die Experten, dass 2020 ein bAV Jahr ist, das in Erinnerung bleiben wird und man den Blick nun in Richtung neue Chancen für die bAV lenken sollte. Insbesondere auch durch den digitalen Fortschritt und weil alte Vorbehalte gegenüber Digitalisierung sich nun sukzessive legen, gäbe es eine Fülle an neuen Möglichkeiten.

Digitalisierung: Dank Krise auf der Überholspur

Auf die Frage, ob aufgrund der Krise die Digitalisierung beschleunigt wurde, zeigten sich die Experten einig: Ja, die Krise hat sicherlich nun alle – und hierzu zählen auch Skeptiker – dazu gezwungen, sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen und diese dadurch beschleunigt. „Es gibt viele, die sich mit der Digitalisierung noch nie auseinandergesetzt haben und die hatten jetzt gar keine andere Wahl. Das ist schon ein riesen Potenzial“, sagte Christian Schuster zu Beginn. „Wenn jemand vor zwei Jahren gesagt hätte, es käme zu einem Shutdown, hätte ich gesagt, das funktioniert nicht. Und wir haben gelernt: Es funktioniert. Und es hat uns in der ganzen Thematik Digitalisierung eine echte Beschleunigung für die gesamte Gesellschaft gebracht, die man sich vorher eigentlich nicht vorstellen konnte“, bestätigte Wolfgang Weisz, ebenso wie Erich Projer: „Ich glaube, dass diese Beschleunigung der digitalen Welt viele Vorteile bringen wird.“ Wilhelm Rost geht sogar noch einen Schritt weiter und betont in Hinblick auf den bereits vor längerer Zeit gestarteten Digitalisierungsprozess: „Wir fühlen uns durch die Krise bestätigt, dass dies der richtige Weg ist.“

Bei all dem Mehrwert, den uns die Digitalisierung bringen kann, darf man eines dennoch nicht außer Acht lassen: „Wir haben durchaus die Kultur – und das ist vielleicht auch ein Generationenthema – dass man sich einander gerne gegenübersitzt, vor allem, wenn man Verträge aushandelt“, erklärt Michael Slechta. Und das ist im Grunde genommen ja auch gut so. Denn die Digitalisierung soll keinesfalls den persönlichen Kontakt und das gemeinsame „am Tisch sitzen“ ersetzen, sondern dort unterstützen, wo es Sinn macht.

Experten orten neues Potential für den Vertrieb

„Wo sehen Sie Chancen für die bAV, trotz oder vielleicht sogar aufgrund der Krise?“, lautete die nächste Frage an die Expertenrunde.

„Jetzt ist der Punkt an dem man als Vermittler versuchen kann, die Kundenfälle in der bAV zu identifizieren, jene Unternehmen anzusprechen, die dadurch sogar profitiert haben“, eröffnete Wolfgang Weisz. Christian Schuster bekräftigte dies: „Es gibt Branchen, die gewonnen haben und Branchen, die verloren haben“ und fügte hinzu, „dass gerade durch die Krise gewisse bAV Produkte mehr Gewicht und Attraktivität erhalten würden“. Hierzu zähle etwa die Pensionszusage, wenn wir an die Führungsebene denken oder auch der §3 (das 300€ Modell), mit klarem Fokus auf die Mitarbeitervorsorge, mithilfe dessen Unternehmen den Einsatz ihrer Mitarbeiter in dieser Krise honorieren können. Michael Slechta betonte: „Firmen werden darüber nachdenken, welche Mitarbeiter haben mich durch die Krise gebracht und wo sind denn die Spitzenarbeitskräfte, die ich unbedingt brauche und die ich halten möchte.“ Er ergänzte weiters, „dass für Firmen, die ihren Mitarbeitern etwas bieten wollen – gleichzeitig aber auch auf die Kosten schauen und Lohnnebenkosten sparen möchten – eine Versicherung eine sehr attraktive Überlegung ist.“ Wilhelm Rost fügte abschließend hinzu: „Auch kollektive Unfall- oder Gruppenkrankenversicherung sollten bei Kunden aktuell angeboten werden. Wir haben mit diesen Produkten in Ergänzung zur klassischen bAV bereits sehr positive Erfahrungen gemacht.“

Die Expertenrunde war sich somit einig darüber, dass es für Vermittler Anknüpfungspunkte durch die Krise gibt und sich so eine Chance eröffnet – für ihre Kunden aber auch für die bAV Branche selbst. “Gewinnerbranchen” werden ihren Mitarbeiter danken und diese belohnen wollen. Unternehmen, die hingegen von der Krise hart getroffen wurden, werden einen Bedarf für positive Initiativen in Richtung Mitarbeitermotivation haben.

Politische Initiative nach wie vor gefragt

Welche Maßnahmen in der aktuellen Situation seitens der Politik erforderlich wären, um der bAV zusätzlichen Rückenwind zu verleihen, wollte Joachim Schuller daher weiters von den Experten wissen.
Wenig überraschend blieb in diesem Zusammenhang der Forderungskatalog des Versicherungsverbandes nicht unerwähnt. „Zunächst sei eine klare Definition der betrieblichen Altersvorsorge wichtig“, so Christian Schuster, der auch betonte, „dass die bAV nicht mit der Abfertigung Neu endet.“ In dem angesprochenen Katalog wird etwa die Anhebung des Freibetrags des §3 oder auch die Schaffung von Anreizen für Selbständige gefordert. „Selbständige haben derzeit sehr eingeschränkte Möglichkeiten, betriebliche Vorsorge zu betreiben.“ erklärte Wolfgang Weisz. In Hinblick auf die steuerliche Begünstigung des §3 verwies Wilhelm Rost außerdem auf die seit langem überfällige Anpassung des Freibetrags: „1967 lag der steuerliche Freibetrag bei 3.000 Schilling. Mitte der 70er Jahre wurde er auf 4.000 Schilling erhöht, die mit der Euro Umstellung dann zu 300€ wurden. Also findet seit 45 Jahren keine Valorisierung mehr statt. Das spricht Bände.“

Die Umstellung auf digitale Polizzen anstelle von Papier-Polizzen wäre laut den Experten eine ebenfalls begrüßenswerte Initiative. „Digitale Ablage, digitale Information, da geht der Zug hin, das muss kommen. Das wird kommen. Es ist nur eine Frage der Zeit“, betonte Gerhard Danler. Christian Schuster entgegnete diesem Wunsch jedoch, „dass hierfür noch neue gesetzliche Regelungen geschaffen werden müssen“. Das Fehlen klarer Regelungen in Hinblick auf die bAV wurde auch durch die Krise nochmal verdeutlicht. Man denke nur an die Beitragszahlungen beispielsweise in Zusammenhang mit Kurzarbeit. Damit der Forderungskatalog und die bAV nicht zum Randthema werden, ist es entscheidend nicht nur die Politik in die Pflicht zu nehmen, sondern auch die Bevölkerung und insbesondere Arbeitnehmer über die Möglichkeit der steuerfreien Zukunftsvorsorge aufzuklären. Denn diese könnten einen wesentlichen Hebel bei der Umsetzung der notwendigen Änderungen darstellen. „Entscheidend wird es daher sein, dass diese Maßnahmen auch vom Arbeitsmarkt eingefordert werden“, so Michael Slechta abschließend.

Vertrieb der Zukunft – Persönlich und digital

Und was bedeutet die Krise und die Digitalisierung für die bAV?

Auch hier waren die Experten einer Meinung: Die persönliche Beratung in der bAV kann nicht durch die Digitalisierung ersetzt werden. Aber die Digitalisierung hat großes Potenzial in der Abwicklung, in “Self-Services” sowie als Unterstützung in der Beratung.

„Die persönliche Beratung wird weiterhin – auch im Vertrieb der Zukunft – eine ganz wesentliche Rolle spielen. Allerdings gibt es eine große Änderung: Die Digitalisierung wird wesentlich zur Unterstützung des Vertriebs beitragen“, betonte Wilhelm Rost. Bei der Unterstützung in der Abwicklung sieht auch Gerhard Danler einen großen Mehrwert und ortet hier noch viel Potential: „Eine Kombination von persönlich und digital, Hand in Hand, wo der Ablauf für den Berater digital unterstützt werden kann, das ist ein wesentlicher Vorteil.“

Auch der Bereich des „Kunden-Self-Service“ kann mithilfe der Digitalisierung erleichtert werden. Hier verweist Wolfgang Weisz auf weitere Chancen, ähnlich dem, was Banken zum Teil schon jetzt bieten: „Einem Kunden digitale Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um sich auch selbst zu servicieren, gelingt im privaten Versicherungsbereich schon Stück für Stück. Aber wenn man sich die Bankenindustrie ansieht und was dort bereits umgesetzt ist, dann muss dies wohl auch ein Zielbild für die Versicherungsindustrie sein.“ Michael Slechta verweist hierbei auch auf die Vielzahl an Transportwegen und unterschiedliche Verschlüsselung der Daten, die für die Versicherungen eine Herausforderung darstellt. „Hier wäre eine Vereinheitlichung nach dem Vorbild der Banken wünschenswert“, so Slechta.

Eine weitere Unterstützungsmöglichkeit wäre beispielsweise auch eine Art Hybrid-Meeting. Bei diesem führen Berater bei ihren Kunden vor Ort den Beratungstermin durch. Weitere Personen (zB Steuerberater oder sonstige Experten) könnten aber bei Bedarf über digitale Medien beigezogen werden. „Im Unternehmensbereich kann ich mir gut vorstellen, dass man einen Experten aus einem Fachbereich punktuell dazuschaltet“, erläuterte hierzu Michael Slechta.

Damit die Digitalisierung aber letztlich erfolgreich gelingen kann, ist es neben der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen vor allem wichtig, offen für Neues zu sein und sich auf die digitale Welt einzulassen. Dann können Vorteile genutzt und Berater im digitalen Vertrieb, bei der Abwicklung und Administration unterstützt werden. Bei der Digitalisierung geht es also keinesfalls um den Ersatz von persönlicher Beratung, sondern um die Ergänzung – dort, wo es eben zielführend ist. Und so können wir alle von der digitalen bAV profitieren mit dem gemeinsamen Ziel: Die bAV unter das Volk zu bringen.

Wir möchten den Experten in dieser ausgesprochen angenehmen und offenen Gesprächsatmosphäre für ihre Teilnahme am digitalen Roundtable von FINABRO herzlich danken und freuen uns bereits auf das nächste Treffen – hoffentlich dann ein physisches/reales Treffen. Denn auch hier gilt: Digital ist eine perfekte Ergänzung aber keinesfalls ein vollwertiger Ersatz!

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