Die Digitalisierung ist nicht mehr aufzuhalten
Die Digitalisierung ist nicht mehr aufzuhalten
Roundtable: bAV MaklerInnen im Gespräch
Reduziertes Neukundengeschäft, mehr Aufwand in der Beratung bei Bestandkunden, aber endlich Zeit für Digitalisierungsinitiativen lautet das Fazit der VermittlerInnen zu den vergangenen Monaten. Daher lautet die klare Aufforderung an die Versicherungen in bessere Tarife zu investieren und auf die Digitalisierungsreise in der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) mitzugehen. Welche weiteren Erkenntnisse aus der Krise gewonnen wurden, diskutierten 6 bAV Experten der Makler GrEco, Willis Towers Watson, Aktuell, Hoffmann & Partner, Auer Profit Steering und WHK Industrie- & Wirtschaftsberatung im digitalen Roundtable. Joachim Schuller von FINABRO führte als Moderator durch das Gespräch.
Wolfgang Kotlan
GrECo
Competence Center Manager
Health & Benefits
Eva Girsch
Willis Towers Watson
Geschäftsführerin
Harald Veronik
Aktuell
Leitung Competence Center Personenversicherung – Firmenkunden
Erich R. Hoffmann
Hoffmann und Partner
Eigentümer
Franz Auer
Auer Profit Steering
Geschäftsführer und Firmengründer
Wolfram Klar
WHK Industrie- und Wirtschaftsberatung
Geschäftsführender Gesellschafter
Rückblick: Kaum Neugeschäft, erhöhter Aufwand aber Digitalisierungsvorstoß
Spätestens seit dem Lockdown im März ist auch der berufliche Alltag der heimischen Vermittler von Homeoffice geprägt. Harald Veronik schildert: „Wir haben einen Schichtbetrieb – also eine Aufteilung in Teams, die von zu Hause oder aus dem Büro arbeiten. Wir werden dieses Modell auch vermutlich noch bis Jahresende verlängern.“ Flexibilität ist gefragt, da waren sich die Experten einig.
„Neukundenkontakte und alles was in Richtung Akquise stattfindet, waren ab dem 13. März in einer Schockstarre“, sagt Harald Veronik gleich zu Beginn. Eva Girsch bestätigt die rund 4-wöchige Ausnahmesituation: „Nach dem Monat ist es aber – zumindest bei bestehenden, internationalen Pensionsplänen – normal weitergegangen. Es sind teilweise andere bzw. zusätzliche Fragestellungen aufgetaucht – mittlerweile ist es aber wieder business as usual und die bAV hat weiterhin eine hohe Bedeutung bei den Unternehmen, die mit engagierten und motivierten Mitarbeitern durch die Krise kommen wollen.“ In Hinblick auf Neuabschlüsse schildert Wolfgang Kotlan, dass sie während des Lockdowns durchaus Akquise betrieben haben: „Wir haben in der Krise auch Akquise Tätigkeiten betrieben, Abschlüsse gemacht und so Neukunden dazugewonnen. Der Bedarf an Beratung ist jedoch gestiegen und wird uns auch in den kommenden Monaten weiter begleiten.“ Dass es während des Lockdowns auch bei Bestandskunden zu einem vermehrten Aufkommen von Detailfragen und somit einem erhöhten Managementaufwand gekommen ist, bestätigt auch Harald Veronik: „Bestehende bAV Lösungen haben einen außerordentlichen Aufwand verursacht und vermehrt zu komplexen Fragestellungen geführt“. Erich Hoffman betont jedoch: „Gerade im vorhandenen Kundenstock, gibt es viel Potential, um noch weitere bAV Produkte anzubieten und so den Bestand weiter auszubauen.“
Während einige Vermittler in der Krise aktiv Neukunden akquiriert haben, nutzten andere diese Zeit, um gezielte Projekte – vor allem im Bereich der Digitalisierung – voranzutreiben. Franz Auer berichtet hierzu: „Wir planen gerade unser neues Büro und dort wird ein klarer Fokus auf noch mehr Digitalisierung liegen.“ Die Digitalisierung gewinnt immer mehr an Bedeutung, bestätigt auch Erich Hoffmann: „Wir haben uns digital und technisch aufgerüstet. Wir sind draufgekommen, dass sich viele unserer Arbeitsschritte durch die Digitalisierung vereinfachen lassen, ohne dass man Angst haben muss, den Kunden zu verlieren“. Auch Wolfram Klar hat die Corona Krise zum Anlass genommen, um die Digitalisierung im eigenen Unternehmen voranzutreiben. „Digitalisierung war bei uns in der strategischen Ausrichtung ohnehin ein Thema. Dann kam COVID und wir hatten endlich Zeit dafür, ebenso wie für unsere Marktstudie. In der sind wir draufgekommen, dass es große Wissenslücken in der betrieblichen Altersvorsorge gibt. Würden all jene, die die bAV betrifft, die Möglichkeiten kennen und verstehen, dann hätten wir eine andere Situation. Ich sehe in der Digitalisierung eine Chance dafür. Daher haben wir auch Schulungsvideos produziert, mit denen wir ab November online gehen“, so Klar abschließend.
Persönliche Beratung bleibt wichtig, aber die Digitalisierung ist nicht mehr aufzuhalten
Die Digitalisierung ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Und so haben sich Kunden und Vermittler bereits an Vieles gewöhnt. Videocalls beispielsweise sind mittlerweile ein fixer Bestandteil unseres beruflichen Alltags. Dennoch sind sich die Experten bei einem Thema einig: In der Beratung steht zunächst das persönliche Kundengespräch im Vordergrund. Wolfram Klar sagt dazu: „Ich bevorzuge die persönliche Beratung am Tisch, nutze aber auch gerne digitale Medien als Ergänzung“. Auch Wolfgang Kotlan bestätigt, dass die persönliche Beratung bei Erstgesprächen wichtig ist und betont: „Die Digitalisierung wird sicher nicht die persönliche Beratung ersetzen. Ich sehe aber eine Kombination aus der persönlichen und digitalen Beratung. Die digitale Beratung kann in gewissen Situationen sogar entscheidende Wettbewerbsvorteile bringen. Hierzu zählen etwa Gruppenverträge, wie die Steuerfreie Zukunftssicherung (300€ Modell).“ Die Digitalisierung kann weiters in der Verwaltung eine große Entlastung bringen. „Wir entwickeln bereits seit mehr als 15 Jahren unsere eigene, interne IT-Lösung, mit der wir unsere Client Relationships verwalten, d. h. Polizzen und Schäden managen und umfangreiche Auswertungen über ein maßgeschneidertes Management-Informationssystem durchführen“, so Kotlan abschließend.
Ein weiterer Bereich, in dem die Digitalisierung sehr hilfreich sein kann, ist in der internen Kommunikation, anlässlich des Abschlusses einer kollektiven, betrieblichen Altersvorsorge. Konkret, wenn es darum geht Arbeitnehmer in einem Unternehmen über die Möglichkeiten der Vorsorge zu informieren und sie vom Abschluss zu überzeugen. „Studien zeigen, dass Mitarbeiter die bAV dann als attraktiven Benefit sehen, wenn sie es als verständlich und transparent wahrnehmen. Es kommen außerdem jüngere Generationen auf den Arbeitsmarkt, die eine User Experience erwarten, welche die bAV für sie persönlich, ansprechend, leicht verständlich, auf aktuellstem Stand und im besten Fall sogar unterhaltsam nahebringt.“, erklärt Eva Girsch. Dafür ist die Digitalisierung optimal geeignet.
Die Expertenrunde war sich einig, dass die Digitalisierung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Und obwohl persönliche Erstgespräche weiterhin wichtig sind, rücken auch die Vorteile der digitalen Beratung immer deutlicher in den Fokus der Vermittler.
Aufforderung an Versicherungen: Mehr Digitalisierung und bessere Tarife
Einigkeit zeigten die ExpertInnen auch bei der Frage: „Was sie sich von den Versicherungen wünschen“ und gaben gleichzeitig konstruktives Feedback, mit dem Ziel effizienter und ressourcenschonender zu werden. Wolfram Klar merkt an: „Die Digitalisierung ist an manchen spurlos vorübergegangen. Es gibt keine automatischen Mitteilungen an Versicherungsnehmer bzw. Makler und auch die Bereitstellung von Wertbestandsnachrichten dauert sehr lange.“ Außerdem mahnte er, veraltete Systeme und Prozesse zu überdenken, wie auch den Papieraufwand, der z.B. durch die physisch unterschrieben Protokolle und deren Bearbeitung entsteht. Erich Hoffmann bestätigt den verursachten Papier-Dschungel: „Ich bekomme im Durchschnitt 56 Seiten, wenn ich ein Offert erstelle. Ich kann über mein Handy und mithilfe der Kreditkarte einen 70.000€ Tesla kaufen, aber keinen bAV-Vertrag über jährlich 300€ abschließen.“ Ein Aufruf zu Prozessoptimierung kommt auch von Eva Girsch: „Es geht nicht nur um die 56 Seiten, sondern darum, dass diese alle in Papierform gesendet werden. Wir haben kiloweise Papierpost und davon entsorgen wir 90%. Dieselben Unterlagen können wir auch digital herunterladen.“
Wolfgang Kotlan würde sich von Versicherungen generell mehr Flexibilität wünschen und betont: „Im Bereich der Pensionszusagen, wird es immer schwieriger einen kompetenten und verlässlichen Partner über die Jahre hinweg zu finden. Und so gerät auch diese Veranlagungsform leider immer mehr in den Hintergrund.“
In Hinblick auf den §3 führt Kotlan weiters an, dass manche Versicherungen dafür gar keinen Tarif mehr anbieten wollen. Dabei ließen sich bei den meisten kollektiven baV Modellen die Prozesse enorm optimieren. Franz Auer bedauert, dass es immer weniger Tarife in Österreich gibt: „Ich sehe am österreichischen Markt, dass es seitens der Versicherungen einen starken Rückgang in der bAV gibt. Dabei wäre das Potential für die bAV vorhanden.“ „Dafür bräuchte es aber ein klares Bekenntnis seitens der Versicherungen zur bAV“, sagt Wolfram Klar abschließend.
Ein klares Commitment der Versicherungen für die betriebliche Altersvorsorge fordern die ExpertInnen. Die wesentlichsten Hebel liegen hierbei in Investitionen in mehr Digitalisierung sowie besseren Tarifen. Das Einsparungspotenzial bei Papier- und Portokosten wäre auch nicht unerheblich und würde der Co2-Bilanz ebenfalls guttun.
Die Politik fehlt
Forderungen und Wunschkataloge zur betrieblichen Altersvorsorge an die Politik gibt es bereits seit vielen Jahren, dennoch hat sich im letzten Jahrzehnt sehr wenig getan. Dabei wäre insbesondere die Politik beim Thema Altersvorsorge gefragt, so die ExpertInnen. Harald Veronik spricht etwa von einer Stärkung der bAV: „Förderungen und die Incentivierung, um eine Vorsorge für sich selbst zu gestalten, sind immer weniger geworden. Die Politik müsste daher gewisse Anreize setzen, egal ob direkte Zuschüsse über Fördermittel oder steuerliche Absetzbarkeit.“ Ein weiterer entscheidender Aspekt wäre aber auch die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung für die Bedeutung einer rechtzeitigen Vorsorge. Franz Auer betont: „Es wäre wichtig, das Thema Altersvorsorge in die Köpfe der Menschen zu bringen. Das wird von der Politik jedoch viel zu wenig forciert und ist auch in einem gesellschaftspolitischen Kontext zu wenig präsent.“
Eva Girsch zieht einen Vergleich zu unserem deutschen Nachbarland und ergänzt: „Die Gehaltsumwandlung ist in Deutschland gang und gebe. In Österreich sind 300€ p.a. und Mitarbeiter vergleichsweise wenig Geld. Altersvorsorge ist nicht in den Köpfen der Menschen. Dabei geht es vor allem darum die Altersarmut zu verhindern. Hier ist eindeutig die Politik gefragt. Wichtig wären daher auch ehrliche Aussagen über die Leistungsfähigkeit des staatlichen Pensionssystems. Denn dieses wird in Zukunft allein nicht mehr ausreichen.“ Daher sollten ÖsterreicherInnen betrieblich und privat vorsorgen, bevor es zu spät ist. Eva Girsch betont weiters: „Es gibt durchaus Unternehmen mit guten Pensionsangeboten, aber die Mitarbeiter wissen nichts davon. Altersvorsorge ist ein Thema mit dem beschäftigt man sich nicht gerne, weil es komplex ist und in weiter Zukunft liegt. Unternehmen sollten hier in die Bresche springen – das nützt auch ihnen. Wenn sie ihren Mitarbeitern aktiv mit verständlichen Informationen und guten Vorsorgeangeboten helfen, reagieren die meisten sehr positiv, was sich in Engagement und Arbeitsmotivation niederschlägt. Von allein denken viele erst ab 55 über Altersvorsorge nach, aber dann ist es zu spät“. Auch Wolfram Klar sieht beim Gesetzgeber eine klare Verantwortung für die Altersvorsorge: „Man muss nichts neu erfinden. Es gibt bereits gesetzliche Regelungen, die in der bAV einfach neu verknüpft werden müssten. So gibt es beispielsweise in der staatlich geförderten, privaten Zukunftsvorsorge, der PZV eine Versicherungssteuerbefreiung, die auch in der direkten Leistungszusage sinnvoll wäre.“ Obwohl bereits einige konkrete Änderungen in der Pipeline wären, zeigt sich Erich Hoffmann über die Umsetzung besorgt: „Ich fürchte, dass wir derzeit – auch Corona-bedingt – keine weiteren steuerlichen Anreize für die bAV generieren werden. Man sollte daher die derzeitigen Möglichkeiten nutzen und nicht auf künftige Steuerzuckerl warten, die eventuell kommen oder auch nicht“.
Durch die Anwendung bereits bestehender und geltender gesetzlicher Rahmenbedingungen auf die bAV könnte der Staat wesentlich zur Stärkung dieser 2. Pensionssäule beitragen. Schließlich muss man das Rad nicht immer neu erfinden, sondern vorhandene Möglichkeiten einfach smart einsetzen, da sind sich die Experten einig. Bei weiteren Vorhaben wäre ein Ausbau nach dem Modell unserer deutschen Nachbarn etwa erfolgsversprechend, um die betriebliche Altersvorsorge in Österreich nachhaltig zu verankern.
Generation Y und Z fragen immer mehr nach Altersvorsorge
Insbesondere bei den nächsten Generationen scheinen die Bedenken in Richtung einer mangelnden staatliche Vorsorge bereits zu steigen. Denn junge Menschen fragen verstärkt Altersvorsorge nach. Erich Hoffmann berichtet, dass Personen, die sich beispielsweise für Pensionszusagen interessieren immer jünger werden. „Bei Ihnen sitzt oft das Thema mangelnde gesetzliche Pension im Kopf“, so der Experte. Um diese jüngeren Zielgruppen entsprechend anzusprechen, muss auch eine Modernisierung in der Kommunikation der betrieblichen Altersvorsorge erfolgen. „Junge Menschen sind an Blogs, Apps, Informations-Webseiten gewöhnt. Diese Mittel müssen auch in der bAV kommen – denn sie sind State of the Art. Auch hier haben die Versicherungen noch Aufholpotential, oder anders ausgedrückt: ein geschäftliches Interesse, Kunden nicht nur mit guten, sondern auch gut präsentierten Angeboten zu gewinnen“, erzählt Eva Girsch.
Zur Erreichung dieser Zielgruppen ist daher auch der Aufbau von Online-Marketing Kanälen unerlässlich, bestätigt Wolfram Klar: „Wir haben genau analysiert, wie unsere Zielgruppen kommunizieren und auch unseren Webauftritt überarbeitet. Auf Basis dieser Erkenntnisse haben wir festgestellt, dass wir auch in den sozialen Medien aktiv und präsent sein müssen. Wir gehen daher ab nun auch vermehrt mit Marketing-Aktivitäten im Online-Bereich auf den Markt.“
Das Interesse an Altersvorsorge der nächsten Generation allein reicht nicht aus, um die 2. Pensionssäule zu stärken und den Vorsorgebedarf künftiger Generationen zu decken. Es bedarf einerseits einer gezielten Informationskampagne der öffentlichen Hand, andererseits müssen von allen Beteiligten zielgruppenadäquate Kommunikationsmittel und -wege geschaffen werden. Dann könnte es auch so weit kommen, dass Mitarbeiter betriebliche Altersvorsorge bei ihren Arbeitgebern einfordern und sich die Vorsorge über den betrieblichen Weg als Selbstverständnis durchsetzt. Bis dahin können sich Arbeitgeber jedoch im Rennen um die besten Talente und zur Förderung der Mitarbeiterbindung mithilfe von betrieblichen Altersvorsorge-Lösungen abheben. Die Arbeitnehmer werden es ihnen danken.
Vertrieb: Vorteile nutzen – nicht mehr länger warten!
Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied und so auch in der bAV. Jeder bAV Berater hat es schließlich selbst in der Hand die bestehenden Vorteile der bAV zu nutzen und nicht auf verbesserte Rahmenbedingungen vom Staat oder anderen Institutionen zu warten. Es gibt bereits gute und vor allem auch digitale Lösungen, um den Vorsorgebedarf von KundInnen zu decken und die bAV in Österreich auch auf breitere Beine zu stellen. Ihre KundInnen werden es Ihnen danken.
Wir möchten den ExpertInnen in dieser ausgesprochen angenehmen und offenen Gesprächsatmosphäre für ihre Teilnahme am digitalen Roundtable von FINABRO herzlich danken und freuen uns bereits auf das nächste hoffentlich auch physische Treffen.
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